Den Menschen nachspüren

Oberkirchenrätin Lenk
Oberkirchenrätin Annette-Christine Lenk

„Der Pfarrberuf ist für mich der schönste Beruf“, sagt Annette-Christine Lenk, Oberkirchenrätin in Oldenburg. Sie ist seit 2009 als Dezernentin für das theologische Personal unserer Kirche zuständig. Im Interview mit Kark un Lüe spricht sie über die Vielfalt und die Perspektiven des Pfarramtes.

Kark un Lüe: Was macht den Pfarrer und die Pfarrerin so wertvoll für die Kirchengemeinde?

Oberkirchenrätin Lenk: Pfarrer und Pfarrerinnen sind berufen, das Evangelium zu verkünden, die Sakramente zu verwalten, Seelsorge zu üben, zu unterrichten – und dazu sind sie sehr gut ausgebildet. Ihre Aufgabe ist es, das, was sie in der Begegnung mit Menschen erleben, gut zu bedenken und gemeinsam mit anderen weiterzuentwickeln, Neues mit ihnen umzusetzen. Pfarrer sind dafür freigestellt, den Menschen mit dem Wort Gottes auf der Spur zu sein und mit ihnen Fragen zu stellen nach dem, was uns trägt und hält – und mit ihnen Antworten zu suchen. Immer ein Stückchen dem lieben Gott entgegen: Das ist etwas Wunderbares.

Das klingt, als wären die berufliche und die private Existenz im Pfarrberuf schwer voneinander zu trennen.

Das Besondere ist ja, von dem zu erzählen, was uns selber als Pfarrer an Glauben geschenkt ist. Und das geht nur in der Ich-Form. Wer im Pfarrberuf Amt und Person trennen will, wird vermutlich scheitern. Gott trifft ja nicht ein Amt, sondern das Herz des Menschen. Darum fülle ich als Pfarrerin mein Amt aus mit dem was ich kann und so wie ich bin. Das funktioniert nur mit einem guten Maß an Leidenschaft und an Liebe für die Menschen. Die Fragen der anderen auszuhalten, auch wenn es die eigenen Fragen sind, erfordert innere Stabilität.

Der Beruf gibt uns ganz viel Freiheit zum Gestalten. Es ist schön, dass Gemeindeglieder sagen: Ja, wir leisten uns jemanden, dessen seelsorgerliche und weitere Kompetenzen wir abrufen können.

Welche Entwicklungen sehen Sie im Pfarrberuf?

Eine wichtige Entwicklung ist vielleicht noch nicht deutlich genug spürbar: Wir sind überwiegend beschäftigt mit der Betreuung unserer Mitglieder. Ich träume von einem Pfarrberuf, in dem das nur 40 % ausmacht – und die anderen 60 % spüren Pfarrer denen nach, die nicht zu unseren Mitgliedern gehören, die aber in Sympathie nach der Kirche gucken. Ich denke, dass Kirche eine wichtige Größe in unserer Gesellschaft ist und und ganz viele Türen offenstehen, wir das aber zu wenig nutzen. Ich will nicht vordergründig Mitgliederzahlen erhöhen. Aber die Kirche muss strahlen wie ein Diamant in der Wüste. Das Evangelium, unser Glauben, das ist ein großer Schatz, den wir nach außen bringen müssen. Dafür brauchen wir Zeit und Ideen. Da verändert sich das Berufsbild.

Was bedeutet der Strukturwandel für die Versorgung der Gemeinden?

Mittlerweile gilt: Nicht die Gemeinde sucht sich den Pfarrer aus, sondern der Pfarrer die Gemeinde. Das ist die Realität. Für die Gemeinden bedeutet das, sie müssen ein eigenes Profil erarbeiten, um für Bewerber attraktiv zu sein. Wie können wir Kirche vor Ort gestalten? Darüber müssen sich die Gemeinden klar werden. Da muss noch viel passieren. Im Jahr 2026 haben wir in Oldenburg für 250 Pfarrstellen noch 79 Pfarrer. Das ist EKD-weit ein Problem. Aber eine Kirche, die klagt, wird keine jungen Leute für den Pfarrberuf begeistern können.

Klappt die Nachwuchsförderung?

Ja, da bin ich optimistisch. Pfarrer und Pfarrerinnen, die authentisch sind und ihr Amt mit großer Freude ausüben, machen junge Leute neugierig auf diesen Beruf. Das sagen mir Studentinnen oder Vikare immer wieder. Wir bieten interessante Perspektiven für diejenigen, die sich den Anforderungen stellen und bereit sind, die lange Ausbildung auf sich zu nehmen. Es ist ein Beruf, für den es sich lohnt!

(Das Gespräch führte Uwe Martens)

In der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg gibt es 250 Pfarrstellen in Kirchengemeinden und übergemeindlichen Diensten, auf denen derzeit rund 280 Pfarrerinnen und Pfarrer ihren Dienst verrichten. Junge Leute, die sich für den Pfarrberuf interessieren, finden Informationen unter
www.werde-jemand.de

 

 

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