Auch dieses Jahr hat Erich Reimers wieder eine Radtour organisiert. 21 Frauen und Männer radelten vom 23. Juni bis 1. Juli 2012 von Edewecht nach Holland und zurück. Beschrieben ist die Tour im Reisetagebuch von Norbert Töpfel, illustriert mit Fotos von Klaus Ahlers.
„Aufsitzen“, schallt es am Samstagmorgen beim Haus der offenen Tür in Edewecht. Die 21 TeilnehmerInnen (7 Frauen, 14 Männer) der diesjährigen Fahrradtour kennen alle diese Aufforderung aus den vorhergehenden Jahren; ein neues Gesicht ist nicht dabei.
Dann man auf nach Holland. Klaus Ahlers (er hat auch dieses Jahr die Fahrstrecke ausgearbeitet und wird uns sicherlich wieder auf Nebenstrecken zu den Unterkünften führen) gibt wieder die Route vor. Es wird so richtig in die Pedale getreten, doch bei der Westerschepser Mühle ist schon die erste Pause. Ewald hat wieder leckeren Stuten gebacken; Kaffee oder Tee wird dazu auch reichlich getrunken. Bei bestem Radfahrwetter mit Sonne, angenehmen Temperaturen und Wind „von vorn“ geht es weiter über Elisabethfehn (was hat Erich Reimers, der Organisator dieser Tour, denn bei der dort stehenden Restmülltonne gesucht?) und Ostrhauderfehn nach Papenburg. Oma Karin und Opa Erich lassen bei einem Zwischenstopp die Enkelin Inka mit einem aufmunternden Getränk hochleben. Da wir bereits zeitig in Papenburg ankommen, führen wir individuell eine kleine Rundreise/Spaziergang im reizvollen Papenburg (Kanal, gepflegte Gärten, Meyer-Werft) durch. In der historisch-ökologischen Bildungsstätte sind wir optimal untergebracht, können das abendliche Beisammensein am Haussee genießen und entschließen uns, eine Abordnung zum Schützenfest zu entsenden, die jedoch um 00.00 Uhr immer noch einen Eintritt ins Tanzzelt mit 6,– Euro bezahlen soll. Darauf wird dann verzichtet, ersatzweise zur Stärkung aber noch Bratwurst und Bier konsumiert.
Sonntag, 24. Juni 2012
Am nächsten Morgen beginnt der Alltag einer solchen Radtour: Aufstehen, Taschen packen, frühstücken, Räder bepacken und es folgt „Aufsitzen“. Heute geht es weiter gen Westen über Bourtange (alte Festungsanlage) nach Borger. Doch schon bei der Abfahrt: „Schietweer“; mittags in Bourtange noch starker Wind dazu, zum Besichtigen der Festungsanlagen besteht keine Lust; trotzdem eine Stunde Mittagspause – doch wie kann man sich stehend im Regen ausruhen; um 15.05 Uhr endlich kein Regen mehr; um 15.20 Uhr blinzelt die Sonne; um 15.45 Uhr „Schietweer“. Im Hotel am Tageszielort Borger werden alle zu Warmduschern.
Das Abendessen wird – wie auch sonst immer – gemeinsam eingenommen. Beim gemütlichen Beisammensein stellen wir fest, dass das Hotel nur über 6 Genevergläser verfügt, die keinen Eichstrich haben und deshalb bis an den Rand gefüllt werden. Die Bedienung bringt sie mit seiner ruhigen Hand gefüllt bis an den Tisch – ein Künstler.
Montag, 25. Juni 2012
Das Etappenziel am Montag ist ein Hotel in Steenwijk. Es geht mit „Schietweer“ los, doch dann wird es besser. Es geht durch einen großen Wald und wie immer auf gut ausgebauten, breiten „fietspads“ (Fahrradwege; Anmerkung: Es waren nur sehr selten Glasreste auf den Wegen.)
Mitten im Wald sehen wir auf einem insgesamt großen Gelände kleine Bauruinen, das Ende einer Gleisanlage, drei astronomische Radioteleskope und ich denke an ein verlassenes Militärgelände. Doch dann stehen dort fünf große, schwarze Sarkophage. Die Gruppe radelt weiter. Auf den Sarkophagen steht jeweils ein Ortsname: „Dachau“, „Bergen-Belsen“, „Theresienstadt“, …
Das waren die Zielorte der Menschen, die in diesem Judendurchgangslager (heutige Erinnerungsstätte Westerbork; ausführliche Informationen auch im Internet, Wikipedia) die Waldluft atmen durften/mussten. Und wir radeln weiter, haben uns nicht vor Ort fünf Minuten der Erinnerung/des Gedenkens genommen. Oder doch jeder einzelne für sich im Verlauf der Tour? Zur Mittagszeit kommen wir in ein Heidegebiet, dem „Natuurgebied Hijkerveld“. Auch hier ein breiter „fietspad“ ; wir sehen schottische Highländer, eine große Schafherde mit einem vollbärtigen Schäfer in einer herrlichen Natur.
Die Mittagspause ist bei der „Speelstad Oranje“. Dies ist ein Vergnügungspark für Kinder; vorher war es eine Kartoffelmehlfabrik. Und für unsere Verhältnisse hatten wir bis hierher schon viele riesige Kartoffelfelder gesehen.
Ein kleiner Rat für die nächsten Touren: Bitte den Horst Schulz nicht mit Bonbon füttern, er bezahlt dafür mit Blomben.
Im Naturpark Drents-Friese Wold sehen wir in der Nähe von Vledder das erste besetzte Storchennest und wie Erich sich von Reinhard mit dem Fahrrad in den Graben schubsen lässt. Wenn das man kein Bier kostet!
Im Hotel zwingt mich nach der Ankunft ein Sofa auf dem Flur, das Abrollen beim Fallen wieder wie in jungen Lebensjahren zu üben – doch niemand klatscht.
Dienstag, 26. Juni 2012
Dienstags führt die Route durch den Nationalpark Weerribben-Wieden in den malerischen Ort Giethoorn (Tourismusort), der für seine vielen Kanäle mit dem alten Hausbestand bekannt ist. Klaus hat auch hier die interessanteste Strecke gefunden.
Durch „weite Gegend“ und einer Einkaufsmöglichkeit in Marknesse (die Nahrung/Getränke für den Tagesbedarf werden an jedem Tag zwischendurch bei einem Markt eingekauft; wo ist denn hier der Zahnarzt für Horst?) erreichen wir gegen 13.30 Uhr das Hafengelände von Urk (eine Stadt an der Ostseite des Ijsselmeeres; vor dem Bau der Dämme eine Insel). Die Sonne scheint, der Fisch oder das Eis schmecken auch bei der Ortsbesichtigung und um 16.30 Uhr setzen wir mit der Fähre nach Enkhuizen (Westseite Ijsselmeer) über. Bei einer solch zahlreichen Gruppe mit der entsprechenden Einnahme für den Personen- und Fahrradtransport hat der Kapitän für jeden eine Tasse Kaffee über.
Nach dem Abendessen und am nächsten Morgen hat jeder die Möglichkeit, sich den Ort und insbesondere den Hafen mit seinen vielen Booten, Yachten usw. anzusehen. Die Masten der Segelboote waren nicht zu zählen.
Mittwoch, 27. Juni 2012
Um 10.30 Uhr wieder „Aufsitzen“ und der Weg führt auf dem Deich in Richtung Norden vorbei an Wiesen mit Wildgänsen, einem Museum für Energie kurz vor Medemblik zur Mittagspause in dieser Stadt. Auch hier ein interessanter Ortskern mit dem Hafengelände und einem Bahnhof.
Die Weiterfahrt ist mitunter eine recht windige Angelegenheit; nur selten ein Windschutz (Baumbestand), dagegen riesige Ländereien (Kartoffel-, Zwiebel-, Weizenanbau – das sind keine Bauern/Landwirte, wie wir sie kennen, sondern Agrar-Wirtschaftsgroßbetriebe; neben dem Wohnhaus stehen zweckmäßige Hallen).
Schlafen dürfen wir in dieser Nacht auf dem Campingplatzgelände in Hippolytushoef in Ferienwohnungen. Auch dieses Quartier war angenehm. Besonders Erich und Dieter schwärmen noch in den folgenden Tagen immer wieder davon, dürfen sie doch in einem Himmelsbett schlafen. Es muss anscheinend auch ein himmlisches Vergnügen gewesen sein.
Und dann ist da noch der Gastwirt, der uns am nächsten Abend den Mund wässerig gemacht hat, als Erich uns einen einschenken wollte. Genever? Never!!!
Donnerstag, 28. Juni 2012
Donnerstags werde ich schon um 04.30 Uhr vom Vogelgezwitscher geweckt; es scheint endlich schöneres Wetter mit mehr Sonne zu kommen. Aber woher kommt dann der Wind, aus dem Osten? Und wir wollen doch über den Abschlussdeich in Richtung Nordost/Richtung Heimat fahren. Also dann wie gehabt weiter „von vorn“.
Zweieinhalb Stunden geht es stumpfsinnig, begleitet vom Straßenlärm, auf dem Abschlussdamm neben der Autobahn immer geradeaus. An eine Unterhaltung ist nicht zu denken, dafür haben die Gedanken freien Lauf: Es fahren nicht mehr Gerold, Hans und Herbert mit. Gerold, unser Grillmeister, der kräftig in die Pedalen trat und mit einem freudigen Lachen „Poal“ rief; Hans mit seinen Witzen und Erzählungen, die wir zwar kannten, aber gruppenfördernd waren und auch sicherlich sein sollten; Herbert, der trotz aller gesundheitlichen Probleme immer dabei war und von der Gruppe gestützt wurde. Und was ist mit mir selbst, wie ergeht es mir, wohin führt mein Weg? Ich unterstelle, dass ich nicht als einziger solche Gedankengänge bei dieser Tour hatte.
Nach einer Mittagspause in Maccum fahren wir über Adega durch Wiesen und Weiden (sie sind Anzeichen für die Michviehhaltung in dieser Region, die meisten Kühe stehen jedoch immer in den Ställen) nach Heeg und werden in einer Jugendherberge (Stayokay Hostel) übernachten. Auf der Strecke wird immer wieder deutlich, dass das Wasser im Hauptkanal deutlich höher steht als in den umliegenden Weiden bzw. in den Nebenkanälen. Das Hostel in Heeg ist voll belegt mit Kindern und Jugendlichen, die hier auch das Segeln erlernen können. Wie wohl die Nacht sein wird?
Nach dem Duschen gibt es Gegrilltes, Dieter und Heinz haben diesen Job übernommen. Das Bier wird in Glaskannen geholt – jetzt kann die Nacht ja kommen. Zwei Stunden Schlaf sind mir sicher – oder mehr? Bis 04.00 Uhr lautes Reden und Gelächter, dann Gitarrenklänge, um 04.30 Uhr zwitschern die Vögel, um 05.00 Uhr Klopfen am Nachbarfenster und um 06.00 Uhr knallen die Türen.
Freitag, 29. Juni 2012
Heute ist … Geburtstag von Monika. Schon vor dem Frühstück schmettern wir auf dem Vorhof der Anlage unsere Glückwunschlieder – damit ist der gesellige Abend gesichert.
Wir fahren durch den anschaulichen Ort Sneek, der sicherlich einen längeren Aufenthalt wert gewesen wäre, müssen aber weiter nach Leuwarden, um mit dem Zug nach Groningen weiter fahren zu können. Und dann passiert es, endlich, der Tourenältester hat souverän die Aufgabe übernommen: Platten hinten. Der Schaden wird durch einen neuen Schlauch behoben; der Zugtransport erfolgt mit zwei Zügen und nach weiteren 40 km Radfahrt erreichen wir unser nächstes Quartier in Scheemda. Insgesamt rund 80 km Radstrecke waren es heute und damit die längste Tagesetappe.
Samstag, 30. Juni 2012
Ein Feiertag kommt selten allein, doch schöner ist, wenn sie nacheinander folgen. Heide bittet heute auch um ein Ständchen, weil sie Geburtstag hat. Neben dem gesungenen Lied erhält sie – wie Monika am Tag zuvor auch – von Erich ein kleines Blumengesteck überreicht. Auch im Vorjahr feierte Heide ihren Geburtstag während der Fahrradtour; gibt es da Terminabsprachen zwischen Heide und Erich?
Bei der Fahrt fallen mir, wie bereits am Vortag, die herrschaftlichen Wohnhäuser mit den ineinander übergehenden Stallungen auf. Und das ganze Areal ist dann noch mit einem Wassergraben umgeben, so als ob es sich um eine Wasserburg handelt. Hier sehe ich nur sehr selten an den Gebäuden das Schild „Te Koop“ so wie fast während der vergangenen Tage an meistens kleineren Häusern. Hat es dabei auch etwas mit der Kinderzahl und der Erbfolge, dem Arbeitsplatzangebot, Wärmedämmmaßnahmen etc. zu tun?
Unser Tagesziel Leer erreichen wir nach etwa 50 km, es ist noch genügend Zeit für einen ausgedehnten Stadtbummel. Die Altstadt von Leer ist immer wieder besichtigungswert. Die Unterbringung ist in der frisch sanierten Jugendherberge optimal; man kann sich wohlfühlen. Und das in doppelter Hinsicht, denn Dieter und Heinz betätigen sich wieder als Grillmeister.
Sonntag, 01. Juli 2012
Am nächsten Morgen schießt Frau Hahn, die wie Frau Matschinsky auch ihren Männern am Vortag bis Leer entgegen gefahren sind (Warum wohl?), vor dem Eingang das obligatorische Gruppenfoto.
Und dann „Aufsitzen“ zur letzten Etappe. Da der Arbeitsbeginn bei der Fähre Amdorf erst um 10.00 Uhr ist, können wir die Inbetriebnahme des Fährbetriebs mit verfolgen. Bei der 90minütigen Mittagspause im Barßeler Hafen gestalten wir das Hafengelände zu einem schmucken Edewechter Schlafzimmer um. Wir fahren weiter durchs Fintlandsmoor zur Scheune Oltmann in Portsloge, um hier nach etwa 550 km Radtour bei Kaffee, Tee und Kuchen die gelungene Fahrradwoche ausklingen zu lassen.
Holland war diese Reise wert.
Auch in diesem Jahr gilt unser aller Dank Erich Reimers und Klaus Ahlers, die sicherlich viele Stunden Freizeit in die Vorbereitung gesteckt haben, aber auch während der Woche am meisten von uns allen gefordert wurden. Danke.
Norbert Töpfel